von Alexandra Tuschka
Statuesk und sehnsüchtig sitzt die Protagonistin an einem Meeresufer. Die aufgestützte rechte Hand bremst den Betrachterblick. Das Gewand ist faltig, fast reliefartig angeordnet. Die Komposition ist klar durch Mauer, Arm und Horizont in mehrere Horiontale gegliedert, die fast bühnenartig wirken. Das Meer symbolisiert hier mehr als nur eine Landschaft, sondern verweist auch auf inhaltliche Elemente der Geschichte der Dame, von der verschiedene Versionen existieren. Goethes Werk «Iphigenie auf Tauris» war freilich jedem Gelehrten bekannt.
Iphigenie, älteste Tochter von Agamemnon, wurde von diesem geopfert, um eine Sünde des Urgroßvaters zu sühnen. Artemis, die daraufhin ihre eingeleitete Windstille aufhob, hatte Mitleid mit dem schönen Kind und verbannte sie auf die Insel Tauris. Dort diente sie ihr als Priesterin.
Der in Speyer geborene Feuerbach war durch seinen Vater, einem bekannten Archäologen, früh mit der Antike in Kontakt gekommen, was sich stetig in seinem Werk widerspiegelt und ihn zu den „Klassizisten“ zählen lässt. Hier zu sehen ist die zweite von drei Versionen der Iphigenie, die vom modernen Betrachter meist als die gelungenste wahrgenommen wird. Wirkt die erste Version noch ein wenig steif und die letzte schon zu distanziert, bildet die zweite eine gelungene Mischung aus imposanter Statuen-gleicher Schönheit und einfühlsamer Identifikationsfigur. In dieser Version sehen wir die Frau im Profil. Es ist eine dunkelhaarige, italienische Schönheit in einer antiken Robe, deren Blick in die Ferne auf das völlig stille Meer zeigt. Es ist Feuerbachs oft gewähltes Modell Lucia Brunacci. Die Gastwirtin sah Anna Risi, Feuerbachs erster Muse und Geliebte ähnlich. Zwar war Lucia sinnlicher, jedoch wurde sie nie mit derselben glühenden Leidenschaft verehrt wie die erste «Nanna». Dennoch kehrt ihr Gesicht im Ouevre oft wieder, wie bspw. beim bekannten Werk der «Medea».
Anselm Feuerbach - Iphigenie
Öl auf Leinwand, 1871, 192,5 x 126,5 cm, Staatsgalerie in Stuttgart
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